Von Marrakesch bis in die Wüste.

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Mittwoch. Es geht per Auto den Flusslauf der Draa entlang nach Süden. Wir gelangen vorerst in ein nahezu vegetationsloses Gebirgsmassiv, den Djebel Sarho. Der Fluss hat hier tiefe Täler eingeschnitten. Dort, wo die Draa das Gebirge hinter sich lässt, liegt Agdz. Hier machen wir Pause, und wir können von einer nahen Anhöhe aus einen überraschenden Blick auf die Umgebung werfen. In N´Kob übernachten wir in einem meiner Lieblingshotels, zwar sehr einfach, aber umgeben von Palmen und alten Lehmburgen mit einer wunderbaren Terrasse. Hussein und Mohammed werden uns erwarten.

Wir machen einen Spaziergang ins Dorf, vorbei an den vielen Kasbahs auf der linken Seiten und den Palmengärten auf der rechten Seite. Hier an den Wasserkanälen sind die Waschstellen der Frauen, und es ergeben sich immer wieder nette Szenen, wenn sie uns zum Helfen auffordern oder ein kleines Kind weinend flüchtet, obwohl wir noch ganz weit weg sind. Wir besuchen Sarah. Sie war früher, vor ihrer letzten Schwangerschaft, Köchin im Hotel. Wir haben viele gemeinsame Erinnerungen, und ich hoffe sehr, daß wir sie antreffen.

Donnerstag. Ab in die Wüste!

Immer wieder freue ich mich auf die folgende Strecke zwischen Agdz und Zagora, die zu den schönsten Landschaften Marokkos gezählt wird. Unzählige Dattelpalmen säumen die Draa, und eine Flußoase folgt auf die andere. Die ockerfarbenen Dörfer in Lehmbauweise werden oft von beeindruckenden Kasbahs bewacht, gemeinsam umschlossen von einer mächtigen Mauer.

Wir achten darauf, diese malerische Strecke im weichen Licht des Spätnachmittags zu sehen, denn die dann intensiveren Farben und das Spiel von Licht und Schatten erhöhen den Eindruck ungemein. Diese Strecke gehört zur "Straße der Kasbahs". In Zagora schließlich besuchen wir den gedeckten Markt, kaufen Datteln oder Obst, trinken Tee.

Kurz nach Zagora kommen wir nach Tamegroute, ins Töpferdorf, bekannt auch für die uralte Bibliothek. Wir machen einen kurzen Rundgang durch das schöne alte Lehmdorf und schauen dann zu, wie auf Töpferscheiben gearbeitet wird und nahezu abenteuerlich die alten Lehmbrennöfen mit Gestrüpp gefeuert werden. Daneben stehen zwar zwei Gasbrennöfen, das Geschenk einer deutschen Organisation. Aber sie werden nicht verwendet: die Farbe sei dann nicht dieselbe, und gerade sie ist ja berühmt und typisch für hier, ein sattes Grün. Ob es einen Showroom zum Einkaufen gibt? Natürlich!

Die letzte Wegstrecke von Zagora zum südlichsten Ort M´hamid, dem kleinen Dorf am Rande der Wüste, legen wir dann vielleicht im Dunkeln zurück.

In M´hamid endet die geteerte Straße, aber nicht am Ortsende, sondern gleich nach der Ortseinfahrt... Wir fahren an den kleinen Hotels und einige Geschäften vorbei über ein schon lange ausgetrocknetes Flussbett, fahren zum „alten“, nun verfallenen Haus der Familie Laghfiri. Heute ist hier nur Wüstengegend, wunderschön mit Dünen und den letzten Dattelpalmen, oft malerisch tief im Sand steckend. Früher einmal konnte man hier als Halbnomaden leben, als noch Wasser vom Fluß her über Kanäle geleitet werden konnte und Ackerbau möglich war – das ist vorbei. Und mit Schließung der algerischen Grenze verblieben den Nomaden, später Halbnomaden zu wenige Weideflächen, sodaß sie nun versuchen, mit Hilfe des in diesem Gebiet geringen Tourismus weiter in der Wüste leben zu können. Wir wohnen in halbbefestigten Nomadenzelten, haben WC und Dusche zur Verfügung, die im alten Haus eingebaut wurden. Ein schöner, ruhiger Platz. Mouloud, unser Begleiter hier und beim Wüstentrekking, hat und bereits erwartet, unser Abendessen ist vorbereitet.


Freitag
. Schwerpunkt Wüste! Diesen Tag verbringen wir in oder um unseren Lagerplatz. Früh um ca. 7 Uhr werde ich versuchen, einen meiner Lieblingsmomente hier zu erleben: vor dem Zelt zu sitzen und den Sonnenaufgang zu genießen. Die aufgehende Sonne wärmt sofort, die Farben verändern sich. Und falls wir im Dunkeln angekommen sind, werden wir es kaum glauben können, wenn wir aus dem Zelt treten. Kein Zweifel: wir sind in der Wüste, wir sind in der Sahara.

Heute können wir auf einer Düne liegen bleiben oder das Dorf besichtigen, mit Mouloud einen schönen Spaziergang zum Palmengürtel zwischen den Dünen machen, gerechterweise alle vier Touristenläden mit einem Besuch beehren, auf der Terrasse vor dem Hotel einen frisch gepressten Orangensaft trinken und die Leute beobachten, dann die Frauen der Familie Laghfiri besuchen und mit ihnen Tee trinken - die Mutter von Mahjoub und Mouloud, eine Schwester sowie Mahjoubs mit Frau und den beiden kleinen Söhnen wohnen in einem einfachen Lehmhaus am Rande des Dorfes.


Samstag, Sonntag, Montag
sind wir in der Wüste mit unserer Kamelkarawane unterwegs. Zuerst wird sich uns ein schönes Bild bieten: das Beladen der Kamele. Die prächtigen blauen Gewänder der Menschen, die Farbe der Kamele und des Sandes ergänzen sich wunderbar. Und dann gibt Mouloud das okay, es geht los zur Wüstentour. Ich gehe lieber zu Fuß. Man kann sich aber jederzeit auf ein Kamel „schwingen“ und reiten, manche wollen gar nicht mehr absteigen. Mittags machen wir eine lange Pause im Schatten eines Tamariskenbaumes, warten auf unser Mittagessen, auf Obst und natürlich Tee. Gegen Abend schlagen wir unser Nachtlager auf, helfen beim Sammeln von Brennmaterial, genießen von einer Düne aus den Sonnenuntergang, schauen zu, mit welcher Methode man auf offenem Feuer kocht. Das dafür nötige Gemüse wird von Mouloud frisch zubereitet. Das ist nicht selbstverständlich: manche Wüstenbegeisterte kennen nur Gaskocher, auf denen vorgekochtes Essen erwärmt wird. „Warum sollte ich das so machen“ sagte Mouloud zu mir, „ich habe ja genug Zeit.“ Dann wird oft gesungen und musiziert. Musik liegt hier in der Luft...

In der Nacht begreift man den Begriff „Sternenzelt“, falls man nicht lieber in einem kleinen Zelt schläft (bitte nicht!): unzählige Sterne verteilt in Form einer riesigen Kuppel, die rundum bis zum Boden reicht. Romantischer geht´s nicht.


Dienstag, Mittwoch
machen wir in M´hamid all das, wozu wir zuvor noch nicht gekommen sind. Wie wär es mit einer Wanderung ins nächste Dorf zu einem interessanten Heimatmuseum? Und dort dann unbedingt zu Hassan, er wartet sicher auf unseren Besuch. Amn nächsten Tag machen wir einen Spaziergang nach „Old M´Hamid“, dem wunderschönen alten Dorf mit hohen Lehmhäusern, unter denen die Gassen hindurchführen. Es ist heute noch bewohnt, aber viele Menschen haben zur Zeit des Strassenbaus am Ende der Strasse das neue Dorf M´Hamid gegründet, in der Hoffnung, hier ein einfacheres Leben zu haben. Wir besuchen eine Familie und trinken Tee im eindrucksvollen hohen Innnenhof, dem „Wohnzimmer“ der Menschen. Wer jedoch schon genug hat vom Wandern, bleibt zwischen den Dünen beim Zelt und macht „nichts“.


Donnerstag
. Wir fahren wir retour Richtung Quarzazate. Wir erleben vielleicht erstmals die Strecke Zagora-M´hamid im Tageslicht. Ein Geröllplateau, Palmenhaine, Dünen ergeben ein ganz anderes Bild als nach Zagora: wir sehen hier die Ausläufer der Wüste. Schräg aufgestellte Matten im Sand längs der Straße zeugen vom Versuch der Bewohner, die Dünen in ihrer Bewegung aufzuhalten.

Wir essen zu Mittag in einer Kasbah in einem Dorf nahe Agdz. Dann geht es weiter über Quarzazate wieder hinauf ins Atlasgebirge. In dieser wunderschönen Bergwelt im Atlasgebirge steht auch eine der schönen Lehmburgen. Ich habe mich im Jahr 2001 sehr gefreut, als wir hier erstmals in einem neuerbauten kleinen Hotel im Kasbahstil wohnen konnten. Es sieht hübsch aus, aber das beste ist die Terrasse mit dem wunderbaren Blick auf die Kasbah. Hier bei Sonnenuntergang sitzen, mit dieser grandiosen Kulisse, die sich im wechselnden Licht immer wieder anders zeigt, was will man mehr...


Freitag
. Natürlich besichtigen wir am Vormittag die Kasbah. Sie ist leider im Verfall begriffen, aber man sieht noch die prächtige Innenausstattung: Gipsstukkaturen, geschnitzte und bemalte Decken aus Zedernholz, schmiedeeiserne Fenstergitter, wunderschöne Mosaikarbeiten an den Wänden aus kleinen Fliesenstücken. Von der Kasbah aus haben die mächtigen Stammesfürsten der Glaoui lange Zeit den Handelsweg über das Atlasgebirge kontrolliert. Von hier spazieren wir durch das alte Dorf mit den Steinhäusern (wir sind nicht mehr in der Gegend der Lehmhäuser!) zum Hauptplatz, dann zurück ins Hotel.

Am Nachmittag gibt es meist mehrere Wünsche. Manche von uns bleiben auf der Terrasse im Hotel, lesen, schreiben Tagebuch, genießen den Ausblick. Andere machen vielleicht mit mir eine kleine Wanderung in die Umgebung, wobei wir bei einer Familie zum Tee einkehren. Die Wanderlustigen können mit Mohammed zum Salzbergwerk marschieren, ein größeres Vorhaben.

Abends habe ich im Hotel bereits mehrere spontane Feste miterlebt, Leute aus dem Dorf kamen, es wurde musiziert, und wir haben manchmal sogar getanzt. Wer weiß, vielleicht haben wir Glück und können so unseren Abschiedsabend feiern. Wie auch immer: musiziert und gesungen wird sicher oft – alle wissen, wie gern ich das habe und zudem ist Mahjoub ein ausgezeichneter Musiker.

Uns allen wird nach der Wüste als einer der Höhepunkte unserer Tour die Bergwelt in Erinnerung bleiben, mit schneebedeckten Gipfeln in der Ferne, in den Farben Afrikas (ja, wirklich, die Farben sind ganz anders, allein schon weil die Erde von rot über braun bis grau so viele Schattierungen aufweist).


Samstag
, Morgens geht es von Telouet direkt zum Flughafen, für diejenigen, die mittags abfliegen. Wer abends fliegt, hat Zeit, um die Tour langsamer ausklingen zu lassen. Aber jedenfalls: es geht wieder zurück in die heimatlichen Wüsten. À la prochaine fois, bis zum nächsten Mal, werden wir vielleicht verabschiedet. Inshallah, so Gott will, ist eine passende Antwort.

 

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