Zum Heiratsmarkt von Imichil.

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In diesen 2 Wochen begeben wir uns auf Rundfahrt, ausgehend von Marrakesch. Der Höhepunkt ist der traditionelle Heiratsmarkt im Gebirge. Wie immer in Marokko ist die Reise sehr abwechslungsreich. Vom Trubel des großen Platzes Djermaa El Fna in Marrakesch kommen wir am nächsten Tag schon in eine abgelegene Ortschaft, sind beim Hochzeitsmarkt unter vielen Menschen und finden uns dann wieder bei Wanderungen in einsamen Gegenden. Von den vielen Palmen rund Marrakesch und dem danach folgenden fruchtbaren Gebiet kommen wir in fast vegetationslose Gegenden vor Imichil mit wunderbaren Steinformationen. Kommen von den roten Lehmhäusern zu den grauen Steindörfern mit den weißen Fensterumrahmungen. Von Fußwegen zur beeidruckenden Serpentinenstraße im Atlasgebirge. Von den Städtern zu Bergbewohnern und Nomaden, die weither anreisen, um beim Hochzeitsmarkt einmal im Jahr unter vielen Menschen zu sein und all das erledigen zu können, wozu sonst keine Gelegenheit besteht.

Ein Motto der Reise ist Einfachheit. Bei dieser Reise handelt es sich dabei allerdings nicht nur um eine Frage der „Reisephilosophie“, sondern der Notwendigkeit. Wir kommen durch abgelegene Gegenden, entsprechend einfach ist das Hotelangebot. Im Jahr 2001 hatten wir teilweise die Dusche nur auf dem Gang. Beim Heiratsmarkt selbst sind für Gäste Zelte aufgebaut. Um uns etwas mehr Rückzugsmöglichkeit zu schaffen, haben wir ein Zimmer im einzigen Hotel in der Nähe des Festplatzes gemietet - schön gelegen, mit Garten und Restaurant. Es war teuer, und dennoch hatten wir nur gemeinsam ein Zimmer mit Schlafmatten am Boden. Dafür gibt es bei der Einfachheit einen Bruch: wir sind mit einem chauffierten Landrover unterwegs. Denn Imichil ist von Norden her mit Bus oder Sammeltaxi nicht erreichbar. Das Auto erlaubt uns, flexibel zu sein. Da unser Fahrer Mahjoub ständig über Telefon erreichbar ist, können wir dies bei Wanderungen gut nutzen und uns dort abholen lassen, wo Lust oder Kraft nachlassen.

Marrakech. Am Sonntag erwartet uns Mahjoub im Flughafen. Ich kenne ihn und seine ganze Familie inzwischen sehr gut. Sie wohnen in Südmarokko, und er hat mit großem Mut den Landrover gekauft. Er ist als ältester Sohn verantwortlich für 6 Personen. Unsere erste kurze Fahrt führt uns vom Flugplatz an den berühmten Stadtmauern von Marrakesch entlang ins Hotel. Mehr noch als der sehr schöne Innenhof des Hotels überzeugt die hervorragende Lage des Hotels in Gehdistanz zum Platz Djermaa El Fna .Er wird uns rasch in seinen Bann ziehen und uns nicht daran zweifeln lassen, dass wir uns im Orient befinden. Um Gaukler, Märchenerzähler, Artisten, verschleierte Frauen mit Materialien für Hennabemalung, um Musikanten und Heiler bilden sich größere oder kleinere Kreise von Interessierten, und es überrascht beinahe, dass wir Touristen hier nicht in der Überzahl sind. „La Place“ war und ist ein Unterhaltungsforum für die einheimische Bevölkerung. 

Wenn die Schlangenbeschwörer bei Sonnenuntergang den Platz verlassen, werden täglich die vielen Garküchen aufgestellt und spät in der Nacht wieder abgebaut - beides bereits ein Schauspiel für sich. Sie bieten von Suppen bis gekochten Lammkopf alles mögliche. Und in einer Ecke finden wir einige Tische mit gutem heißen Gewürztee, der beinahe scharf schmeckt, und einer nicht so guten Süßigkeit. Dennoch probiere ich sie jedes Mal wieder, denn sie schaut aus wie... Nun ja, Sie werden sehen. Natürlich muss irgendwann auch frisch gepresster Orangensaft getrunken werden – gehören die Buden mit den hoch aufgehäuften Orangenbergen, die am Rand des Platzes in einer Reihe stehen, doch zum typischen Bild. Gleich daneben kann man sich endlich mit den herrlichen Datteln erster Qualität eindecken, mit getrockneten Marillen oder einer Anzahl verschiedener Nüsse. Natürlich lockt der an den Platz anschließende Souk – aber wahrscheinlich wird sich an diesem Abend ein ausgiebiger Bummel nicht ausgehen. Das heben wir uns auf für den letzten Tag.

Demnate. Wir verlassen Marrakesch am Montag. Wir haben einige Tage Zeit bis zum Heiratsmarkt, und die können wir mit ausgiebigen Entdeckungswanderungen verbringen. Demnate fand ich nur in einem einzigen Reiseführer erwähnt, und was dort steht, das stimmt auch: Demnate wird beschrieben als „reizvoller Ort mit Häusern aus Stampflehm, die sich terrassenförmig an einen Nordhang lehnen“. Es gibt eine mächtige Kasbah. Die Gegend mit Olivenhainen und Gemüsefeldern eignet sich gut für Spaziergänge. Hier übernachten wir auch.

Azilal – die Wasserfällen von Ouzoud – der Stausee Bin El Quidane. Am Dienstag könnten wir weiterfahren in Richtung Azilal und vorher abzweigen zu den Wasserfällen von Ouzoud. Hierher machen viele Marokkaner einen Ausflug. Großfamilien lagern auf terrassenförmig angelegten Ruheplätzen, Kinder spielen im Wasser, Verkaufsbuden bringen einen Anflug von Jahrmarktsstimmung. Dort haben wir letztes Mal etwas abseits einen schönen Ruheplatz gefunden und wurden versorgt mit frischem Orangensaft. Am Abend quartieren wir uns in Azilal ein. Auch den Mittwoch verbringen wir rund um Azilal. Vielleicht wollen wir einen Abstecher zum Stausee Bin El Quidane machen und dort ein bisschen rudern....

El Ksiba. Am Donnerstag brechen wir auf nach El Ksiba. Den restlichen Tag verbringen wir mit Erkundungen im und um das Dorf.

 

Imichil. Heiratsmarkt. Volksfest. Viehmarkt. Religiöses Fest.

Vorbei an ausgedehnten Obst- und Gemüseplantagen kommen wir nach El Ksiba langsam ins vegetationsarme Hochgebirge. Erstaunliche Felsformationen haben uns immer wieder dazu gebracht, Fotostopp zu rufen oder ein Stück zu Fuß zu gehen. Am Straßenrand warten Kinder auf die wenigen Autos, die in dieser Richtung fahren - die Hauptverbindung nach Imichil ist vom Süden her. Sie verkaufen Äpfel und Feigen. In Imichil quartieren wir uns ein im einzigen „Hotel“ samt Restaurant nahe dem Festplatz. Es ist die Alternative zum Übernachten in einem der Zelte, die am Festplatz vermietet werden. Wir haben den Aufenthalt hier genossen, denn der Garten hinter einer hohen Mauer war nach so mancher Stunde im Menschentrubel ein willkommener Rückzugs- und Erholungsort vor neuen Aktivitäten.

Der Aufenthalt in Imichil ist sicher ein Höhepunkt unserer Reise. Dieses große Stammestreffen hat den Charakter eines Volksfestes: Händler, Schausteller, Musikanten, Köche reisen an. Die Menschen, die oft sehr isoliert im Gebirge wohnen, nutzen einmal im Jahr die Möglichkeit, Verwandte und Freunde zu treffen und sich am Markt mit Nötigem einzudecken. Vielleicht wird am großen Tiermarkt auch um ein Schaf oder ein Kamel gefeilscht. Den Namen Heiratsmarkt hat das Fest, weil sich hier im Gebirge eine vorislamische Tradition erhalten hat, die für diesen Kulturkreis verblüffend ist: geschiedene und verwitwete Frauen können sich ihren Ehepartner selbst auswählen. Sie sind erkenntlich an ihrer Kopfbedeckung. Und junge Mädchen haben die Möglichkeit, Burschen kennen zu lernen. Sie flanieren selbstbewusst zu dritt, viert herum und scheinen viel Spaß zu haben.

Am Freitag, unserem Ankunftstag, ist offizieller Viehmarkt in Imichil, der auch an den folgenden Tagen andauert. Unvergessen ist der Kamelmarkt. Auch jede Menge Schafe wechseln den Besitzer, und allein das Verladen der Tiere ist ein Schauspiel für sich.

Am Samstag ist der erste Festtag: es finden traditionelle Zeremonien statt, Musikaufführungen und Tänze. Auch der Sonntag ist geprägt von verschiedenen Feierlichkeiten. Wir haben entschieden, davon nicht alle anzusehen, da wir lieber die Atmosphäre am und um den großen Festplatz genossen haben: wir haben in den Zelten gegessen oder Tee getrunken, Schmuck eingekauft und traditionelle Decken - das dauert seine Zeit, ohne Verhandeln geht da nichts - sind am Kamelmarkt lange auf einem Futtersack gesessen, haben uns einen abgeschiedenen Platz unter Bäumen gesucht für ein Mittagsschläfchen und dann das Dorf erkundet. Langweilig wird es nicht. Wir entscheiden an Ort und Stelle, wie lange wir bleiben wollen - beispielsweise bis Montag. 

Dodra-Schlucht. Es steht uns ausnahmsweise eine längere Autofahrt bevor zur wuchtigen Dodra-Schlucht und hinunter nach Tinerhir. Wir unterbrechen die Fahrt für eine Wanderung. In Tinerhir übernachten wir.

Dadès-Schlucht. Sie erinnere an das spektakuläre Landschaftspanorama der Canons im Südwesten der USA, heißt es. Wenn wir Lust dazu haben, fahren wir mit dem Auto in die Schlucht und machen eine große Wanderung einem Flusslauf entlang Richtung Boumalne. „Die Schlucht ist beeindruckend durch den krassen Gegensatz zwischen ihren kahlen, vegetationslosen, bizarr wirkenden Felshängen und dem satten Grün der Gärten, die entlang des Flusses gedeihen“, heißt es im Baedeker. Besonders schön sind hier eine ganze Reihe schöner Kasbahs und Lehmdörfer.

Boumalne. Am Ende der Schlucht liegt Boumalne. Hier können wir übernachten. Ich schlage ein einfaches Hotel vor ein paar Gehminuten außerhalb des Ortes. Dort hat jedes Zimmer einen kleinen Balkon, von dem aus man einen prächtigen Ausblick hat. Boumalne hat einen reizvollen alten Ortsteil.

Straße der Kasbahs. Quarzazate. Wir fahren weiter nach Quarzazate, und zwar durch das Dadès-Tal, der „Straße der Kasbahs“. Das ist eine von mehreren Flüssen durchzogene Hochebene, geprägt von Kasbahs und Oasen, in denen Datteln, Obst, Oliven, Gemüse, Getreide geerntet werden. In Quarzazate können wir je nach Lust und Temperatur (hier ist der tiefste und daher wärmste Punkt der Reise) bleiben und einen Ausflug zur Oase Fint machen bzw. die Kasbah Ait Benhaddou besuchen, die Kulisse für eine ganze Reihe von Filmen war. Vielleicht fahren wir auch lieber weiter ins kühlere Gebirge nach Taddert. Wofür auch immer wir uns entscheiden werden: schließlich kommen wir zur Fahrtstrecke von Quarzazate nach Taddert, die ein Erlebnis für sich ist, auf das ich mich immer wieder freue – Kasbahs, Gebirgsdörfer, fruchtbare Landwirtschaftsflächen, Geröllfelder und in der Ferne Schnee folgen einander innerhalb kürzester Zeit. Die Berglandschaft bietet grandiose Ausblicke, und mir haben sich vor allem die vielen Farben eingeprägt. Wir sehen dunkelgraue, weiße, rote, violette, sogar grünliche Felsgebiete, dazwischen Felder, Wälder mit Aleppokiefern, Flusstäler bestanden mit Oleandersträuchern, Erlen und Pappeln.

Auf der Fahrt bergauf treffen wir auf einige extrem verschachtelte Dörfer mit in– und übereinandergebauten Häusern und auf die letzten Speicherburgen aus Stampflehm. Vor und nach dem 2260 m hohen Paß Tizi n`Tichka ist die Strecke gesäumt von Verkaufsständen, an denen schöne Fossilien, Amethyste und eine Vielzahl von besonderen Steinen angeboten werden – oftmals auch künstlich grell rot oder blau gefärbt. Großartige Panoramablicke bis zu den Gipfeln des Hohen Atlas bieten bieten hier ein wieder anderes Bild. Beeindruckende Serpentinen führen von der Passhöhe Richtung Taddert.

Atlasgebirge. Trekking. Wir verabschieden uns von unserem Fahrer Mahjoub - nach dem Trekking werden wir mit dem Bus nach Marrakesch fahren. Tajib erwartet uns - er begleitet uns bei unserer Trekkingtour. Am nächsten Tag geht es dann los, und wir kommen bald in ein Gebiet ohne Stromversorgung und ohne Zufahrt. Tajib hat mir vor einiger Zeit im ersten Berberdorf, das wir passieren werden, eine Familie vorgestellt. Dort folgen wir einer Einladung zum Tee. Vielleicht gibt es auch diesmal ein traditionelles Essen: frischgebackenes Brot aus dem Lehmofen, serviert auf einem tiefen Teller und mit flüssiger Butter und Honig übergossen. Dazu werden Walnüsse gereicht, die in dieser Gegend gut gedeihen.

Weiter geht die Wanderung, vorbei an einem Dorf bis zu einem kleinen Wasserfall inmitten eines großen Walnusswaldes. Wenn wir zur Reifezeit der Nüsse im September dorthin kommen, erhalten wir bald die Erklärung, warum die Bäume so eigenartig wenig Blätter haben. Wir treffen auf viele Kinder, die mit gezielten Steinwürfen die Nüsse von den Bäumen holen – sie werden einzeln verkauft. Da gerade Schulbeginn ist und für den Kauf der Schulmittel Bargeld nötig ist, ist dies ein beliebtes, wenn auch nicht ganz korrektes Einkommen. Hier machen wir eine längere Pause: es ist Picknick-Zeit.

Am Nachmittag schließlich erreichen wir das Dorf, in dem wir bei meinem ersten Besuch den würdigen Haushaltsvorstand Hamo gefragt haben, ob wir bei ihm übernachten dürfen. Wir durften, und wir dürfen auch wiederkommen, meinte er. Platz ist genug im großen Raum, der uns zur Verfügung gestellt wird, und Matten und Decken sind auch da. Betten sind unbekannt. Auf der Steinterrasse des Hauses bin ich lange gesessen, mit schönem Blick zum Fluss hinunter. Es ist sehr eindrücklich, einige Zeit das Leben in einem Dorf zu beobachten, das bis heute noch ohne Stromversorgung und ohne Zufahrt ist. Wenn die Sonne untergegangen ist, gibt es ein warmes Abendessen.

Am nächste Tag passieren wir auf schönen Fußwegen unterschiedlichste Gebirgslandschaften und etliche Dörfer. Am frühen Nachmittag erreichen wir schließlich Azgr und sind wieder ins Verkehrsnetz eingebunden. Hier essen wir zu Mittag und kehren schließlich per Taxi und Bus zu unserem Ausgangsort zurück.

Je nach Erschöpfungsgrad können wir das öffentliche Dampfbad besuchen. Die Schrubbmassage dort ist nichts für zarte Gemüter, bleibt aber unvergessen.

Marrakech. Schließlich geht es wieder Richtung Marrakesch. Nun bleibt Zeit, in den Souks ein- und erst wieder aufzutauchen, wenn man abends am Djemaa El Fna heißes Schafshirn essen will oder winzige Schnecken... Es gibt aber auch anderes. Marrakesch wird der würdige Abschluss einer ungewöhnlichen Reise sein.

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