Als Balzac durch Lemberg reiste, um „seine“ polnische Gräfin zu besuchen, blieb er über Nacht immer im Hotel George. Damals nannte man Lemberg auch „Klein Wien“. Auf diesen Spuren werden wir wandeln, sogar selbst im Hotel George übernachten…

Allerdings ist es nicht so eindeutig, was in Lemberg gesucht und gefunden werden kann, die Mischung ist es wohl. Schließlich ist die Altstadt von Renaissance, Barock, Klassizismus und Jugendstil geprägt, es haben unzählige kulturelle Einflüsse gewirkt. Es gibt viel zu besichtigen. Wir müssen daher aufpassen, dass wir auswählen und das „Weniger ist mehr“ nicht vergessen. Es soll kein Besichtigungsmarathon werden.

Wir werden bei Stadtrundgängen die wichtigsten architektonischen Highlights sehen, das eine oder andere Museum besuchen und überlegen, welche der über 80 Kirchen wir betreten wollen. Wir werden aber auch ganz ziellos durch die Stadt schlendern, das Stadtbild auf uns wirken lassen und uns auch viel Zeit nehmen, der alten Kaffeehauskultur nachzuspüren (Lemberg galt als „Stadt der Kaffeehäuser“), in einen Biergarten zu sitzen, kulinarische Entdeckungen zu machen. Die Atmosphäre der Stadt soll auf uns wirken können. Vielleicht blühen dann ja auch schon die Kastanienbäume, und es ist sicher warm genug, um von einer Parkbank aus Schach- oder Dominospielern zuzusehen. Das Lebensgefühl in Lemberg soll ja mediterran sein, überraschend für mich. Abends muß ein Opernbesuch sein, allein schon wegen der Räumlichkeiten. Die wunderschöne Oper wurde 1900 eröffnet, der Zuschauerraum fasst 1070 Besucher und ist in der traditionellen Form eines Logentheaters gestaltet. Weiters können wir, wenn wir wollen, einen Ausflug machen, um auch außerhalb der Stadt Eindrücke zu sammeln.

Der alte Marktplatz (Rynok) ist noch immer das Herz der Stadt. Dominiert wird er vom mächtigen Rathaus und den jahrhundertealten Fassaden der Bürgerhäuser. Cafés laden zum Verweilen ein. Um diesen Alten Markt ist die Stadt ringförmig angelegt, mit engen Gassen. Hier begegnet man der früheren Vielfalt der Konfessionen. Da gibt es die Lateinische Kathedrale aus dem 13. Jahrhundert, die Dominikaner-Kirche mit der grünen Kuppel, die Armenische Kirche aus dem 14. Jahrhundert. Eindrucksvoll sind auch die Reste der großen Renaissance-Synagoge aus dem Jahre 1582.

Neben dem mittelalterlichen Lemberg sind die Bauten der Habsburgerzeit prägend. Es findet sich, wie schon erwähnt, sogar ein Opernhaus, das 1900 fertig gestellt wurde. Caruso gastierte hier, Paganini, Liszt, Ravel.

All dies führte dazu, dass das historische Zentrum der Stadt 1998 in die Liste des Weltkulturerbes der Unesco eingetragen wurde. Begründung: „(...) Mit seiner städtischen Struktur und seiner Architektur ist Lemberg ein hervorragendes Beispiel der Verschmelzung von architektonischen und künstlerischen Traditionen Osteuropas mit denen von Italien und Deutschland. (...) Die politische und wirtschaftliche Rolle von Lemberg zog eine Anzahl von ethnischen Gruppierungen mit unterschiedlichen kulturellen und religiösen Traditionen an, die unterschiedliche, aber dennoch voneinander abhängige Gemeinschaften innerhalb der Stadt bildeten, die auch noch im modernen Stadtbild erkennbar sind.“

Lemberg wurde kurz nach 1200 gegründet. Polen, Deutsche, Juden und Armenier prägten die Stadt. Die verschiedenen Glaubensgemeinschaften führten dazu, dass sowohl die Römisch-Katholische als auch die Unierte und die Armenische Kirche in Lemberg einen Bischofssitz hatte.

1772 fiel Lemberg an das Habsburgerreich. Ein wirtschaftlicher Aufschwung folgte, Lemberg wurde nach Wien, Budapest und Prag zur viertgrößten Stadt der k.u.k. Monarchie und zur Hauptstadt des neu geschaffenen „Königreichs Galizien und Lodomerien“. Eine kulturelle Vielfalt prägte das Klima der Stadt. Doch Mitte des 19. Jh. Zeigten sich erste nationalen Gegensätze, v. a. zwischen Ukrainern und Polen. Eine schwere Phase folgte mit der Zeit der NS-Besatzung, als es zur Ermordung vieler Juden kam – die immerhin 30% der Bewohner von Lemberg ausgemacht hatten. Nach Kriegsende geriet die Stadt, auch durch die planmäßige Aussiedlung der polnischen Bevölkerung, in eine europäische Randlage.

In den 1980er Jahren gingen wichtige Impulse zur Erlangung der Unabhängigkeit von hier aus. Seit 1990 werden mit großem Erfolg Gebäude renoviert und Cafés und Restaurants (wieder)eröffnet. Eine Aufbruchstimmung sei zu spüren. Der Wunsch, zu Europa zu gehören, trifft allerdings auf Abschottungsmaßnahmen, wie z. B. die 2003 eingeführte polnische Visumspflicht für UkrainerInnen. Wie es diesbezüglich weitergehen wird, ist offen.

Wer sich ins frühere Leben einlesen will: zu den Zeiten der Habsburger entwickelte sich eine einzigartige multikulturelle Atmosphäre, die wesentlich von Juden gestaltet wurde. Eine Reihe jüdischer Schriftsteller sind heute noch bekannt, so Roth, aber auch Alejchem, (schrieb jiddisch), Schulz und Wittlin (schrieben polnisch) oder Agnon (hebräisch). Damals wurde in Lemberg Deutsch, Jiddisch, Rumänisch, Armenisch, Polnisch, Russisch und Ukrainisch gesprochen. Diese Region war auch Heimat der religiös-mystischen chassidischen Schtetl-Kultur. Martin Buber hat chassidischen Weisheiten niedergeschrieben. Ihr spezifischer Humor findet sich in den Aufzeichnungen von Salcia Landman, wie Buber aus Galizien stammend.

Es folgen Ideen, was wir in diesen Tage machen können – wobei wir nicht immer alle dieselben Interessen haben müssen. Wir können auch einmal zwei, drei kleinere Gruppen bilden und uns dann wieder treffen:

· bei von mir geplanten Stadtrundgängen besuchen wir architektonische Highlights, einige Kirchen, Synagogen

· alte Kaffeehäuser, Biergärten werden eingebunden

· persönliche Auswahl von ein, zwei Museen – es gibt eine ganze Reihe von Museen in Lemberg. Ich wähle wohl das Ukrainische Nationalmuseum Lemberg (großen Ikonensammlung) und das Ethnografische Museum (Museum für Volkskunde und Handwerk)

· Spaziergang auf den Schlossberg

· Durch das Freilichtmuseum schlendern

· Besuch des Lytschakiwski-Friedhofs (historisch-architektonisches Denkmal)

· Ausflug mit Zug oder Bus, zB zum orthodoxen Klosterkomplex Pochayiv, schön auf einem Hügel gelegen, oder nach Drohobych mit seiner 900 Jahre alten Geschichte

· Aufführung im Opernhaus besuchen – Oper, Konzert und/oder Ballett.

Jugendstilstadt Lemberg.