Marokko, von Els-Saida

Wandern zu Berberdörfern mit einheimischer Begleitung

Marrakesch. Samstag, der vierte Oktober Zweitausendunddrei.

Acht Uhr morgens, um mich die Geräusche und Gerüche des Orients.

Ich sitze im Hof eines Riad, wie hierorts viele, Palast-ähnliche Gebäude genannt werden, trinke Kaffee und warte auf meinen einheimischen Führer.

Er wird mich in den nächsten sechs Tagen auf meiner Wanderung durch die westlichen Ausläufer des Atlasgebirges begleiten.

Er kommt pünktlich, wir besprechen kurz Organisatorisches.

Ein Sammeltaxi bringt uns zum Ausgangspunkt, ungefähr sechzig Kilometer entfernt.

Wenige Meter vor einem Dorf steigen wir aus, es ist bereits höher gelegen.

Die Berge vor uns uralt, wie von allem Anbeginn der Welt hier bestehend.

Ihr Gestein vom Wind geformt, von der Sonne erodiert, in den Talsohlen vom Wasser geschliffen.

Formationen verschiedener Art, Flächen von riesigen Griffeln schraffiert.

An den buckligen Hängen Tupfen von Grün.

Großzügig, wie willkürlich verteilt.

Die Flußläufe von üppigerer Vegetation begleitet.

Streifen saftiger Wiesen, dicht belaubte Büsche, Dornen darunter gut getarnt.

Geier kreisen hoch oben, aus diesem Himmel fallen die Türkise.

Dörfer hingeklebt wie Schwalbennester, in geschützten Mulden ihnen größerer Raum bemessen.

Häuser schauen aus unverglasten Augen.

Erbaut aus unbehauenen Steinen.

Dort, wo es vonnöten, mit Mörtel aus Lehm verfugt und verputzt.

In Form von Terrassen der Steilheit des Berges schmale Ebenen abgetrotzt.

In Jahrhunderten aufgeschichtete Mauern schützen kostbaren Humus vor dem Wind.

Hier meist allgegenwärtig, wechselt dieser lieber die Stärke als die Richtung.

Aus der Sahara kommend spielt er seine eigene Melodie.

Es tut Not, Augen, Mund und Nase vor seiner sandigen Fracht und seiner austrocknenden Gier zu schützen.

Unweit der Häuser weiden Schafen, Ziegen, vereinzelt auch Rinder.

Sie suchen ihr Grün und finden es ausreichend.

Es werden so viele Tiere gehalten, wie die unmittelbare Umgebung zu nähren vermag.

Hühner scharren in der roten, sandigen Erde, die Hähne krähen das neueste heraus.

In den Dörfern tagsüber nur Frauen anzutreffen, Greise und Kinder.

Die Männer treten Abends erst auf.

Freude, Fremde zu sehen und bewirten zu dürfen, beflügelt die angeborene Gastfreundschaft.

Freundliche Großzügigkeit, offene Ehrerbietung, Mut zu unversteckter Neugierde.

In den Gästezimmern werden die Teppiche ausgerollt, so viele übereinander, wie vorhanden.

Das beste wird aufgetischt,

eher wird selbst gehungert, als dem Gaste etwas vorenthalten.

Die Nachtquartiere von Gaslampen beleuchtet.

Zum Frühstück gibt es Schleimsuppe, Fladenbrot mit Butter, hart gekochte Eier, auch Pfefferminztee.

Die in Terrassen angelegte Felde sind bestens bestellt, meist von den Frauen bearbeitet.

Es gedeihen Hirse und andere Getreidearten, Mais, Kartoffeln und eine Vielfalt an Gemüse.

Um in diesen entlegenen Gebieten zu überleben, ist Autarkie in der Lebensmittelversorgung ein unumgänglicher Aspekt.

Die Pfade in den Bergen queren deren Rücken, berühren die Flanken, lassen die Häupter unerobert thronen, steigen statt dessen hinab zu ihren Füssen, folgen Bächen oder Flüssen.

Diese führen immer in ein nächstes Dorf.

Zu neuen Gesichtern, neuen Gesten, neuem Lächeln.

Die sechs Tage nahm der Wind im Flug, auf den Wegen blieben unsere Schritte.

Der Proviant aus dem Rucksack ist verbraucht, an seiner Stelle ein paar ausgesuchte Steine.

In meinem Herzen nehme ich die Wärme der Umarmungen, das Leuchten der Augen und die Energie aus den uralten Bergen.

Geschrieben nach Erzählungen der Reisenden von Dorothea Pohl - danke!