Wandern im Valle Maira.

Reiseausschreibung unserer Tour von 2012:
Das sucht unsereins ja immer, einen Insidertipp. Hier ist er: Valle Maira. Urige Steindörfer, dahinter das tollste Bergpanorama, alte Wege, neue Wiesenblumen, gutes Essen und wie immer nette Leut.

Das Valle Maira ist das „andere“ südliche Piemont, im Grenzgebiet zwischen Italien und Frankreich. Vor Jahren wurde dort die Idee geboren, der fast schon völlig beendeten Abwanderung mit sanftem Tourismus entgegenzuarbeiten. Es wurden die alten Wanderwege reaktiviert, Herbergen geschaffen, Gasthäuser wieder eröffnet. Ein Paradies für Wanderer, die die überlaufenen Routen der Zentralalpen meiden. Wir werden uns, das ist das Vorrecht der Planenden, nicht ins hochalpine Gebiet begeben. Ich bin viel lieber zwischen blühenden Wiesen und alten Scheunen als zwischen Felsen.

Die Anfahrt ist über Turin her und das schöne alte Städtchen Cuneo. Wer Zeit hat, davor oder danach hier zu übernachten: empfehlenswert, ich kann mich noch gut an so einige Bilder erinnern. Hier endet für den Fall die Bahnanfahrt, dann geht es per Bus (stündlich) nach Dronero. Hier beginnt unsere Wanderung.

 

Samstag: Anfahrt nach Dronero. Dronero ist eines der typischen Städtchen hier, die sich am Ausgang der Täler gebildet haben – das Tor also ins Valle Maira. Es gilt dasselbe wie für Cuneo: wer mehr Zeit hat, wird einen längeren Aufenthalt hier genießen: die Altstadt erhöht, mit alten Laubengängen, von zwei Bächen und Wasserkanälen umspült, sogar mit einem Theater! Italienische Lebensart in einem Straßencafé nachempfinden… Und wenn es nur am Samstag ist.

 

Sonntag – von Dronero nach Sant`Anna (Gehzeit 5 Std)

Hinaus aus dem Städtchen, entlang einer rebenbewachsenen alten Häuserzeile. Dann führt eine Kastanienallee entlang eines Gutes, angeblich werden dort schwarze Merens-Pferde gehalten – vielleicht sehen wir sie auf der Weide. Weiter geht’s entlang eines Waldweges, der auf ein offenes Feld führt. Von weitem schon sieht man das Kloster Santa Maria, ein beliebtes Ausflugsziel. Noch eine Viertelstunde weiter, und wir stehen vor einer Kirche aus dem Jahre 712. Sie war der Außenposten eines Klosters in der Ebene, im 8. und dann wieder vom 11.-13. Jahrhundert gewachsen zu einem ganzen Komplex von Bauten und Anbauten. Angeblich ist alles von einer eigenartigen Harmonie, ein stiller Platz in einem Wald – wir werden sehen.

Weiter geht’s eine Naturstraße entlang, vorbei an Hausruinen, die der Wald erobert hat. In diesem Gebiet wurde vor ein, zwei Generationen noch Landwirtschaft betrieben. Auch die Kastanienbäume zeugen noch davon. Ein schattiger Weg führt ins Dorf Castello.

Nun wird es anstrengender: eine Dreiviertelstunde geht es über Kehren bergauf nach Castlas, dann wieder bergab in einen Talkessel. Die letzte Stunde ist erholsames Wandern, mit schöner Aussicht ins Tal.

Leider ist der erste Eindruck von Sant´Ánna kein schöner: Ferienhäuser zieren einen Hügel, mit großem Parkplatz davor. Zum Trost geht’s in die Albergo Roccere, das Essen dort wird gelobt! Zuvor noch ein Cappucino oder ein Prosecco, und die Welt ist in Ordnung.

 

Montag – von Sant´Anna nach Pagliero (3 Std.)

Ein bequemer Tag mit schattigen alten Wegen und einer Waldstraße. Wir kommen an einer Kapelle vorbei mit einem Bildstock aus dem Jahr 1728, ein schöner Rastplatz. Hohlwege mit Trockenmauern zu beiden Seiten, teilweise mühsam wieder freigelegt, Häuser und Ställe zeugen von der intensiven früheren Nutzung des Gebietes.

Der folgende Weiler Mostiola macht einen anderen Eindruck. Viele Häuser sind sorgfältig renoviert, aber verschlossen. Über eine enge, verschattete Gasse geht’s zur alten Kirche, die noch auf ihre Renovierung wartet.

Wir kommen wieder in einen Wald und in ein Gebiet mit Kleinstlandwirtschaft: Gras wird gemäht, einige Kühe weiden.

Man sieht schon die Kirche am Dorfrand von Pagliero. Zimmerbezug, warme Dusche (die gibt’s überall, wird versichert), und die gute Küche im Ristorante genießen.

Am Nachmittag gibt’s einen Spaziergang ins Hinterland. Oder wer weiß: vielleicht sind wir auch gemütlich erst nach Mittag gestartet, dann paßts für heute.

 

Dienstag: Pagliereo – Camoglieres (4 Std)

Heute gehts auf und ab – gut, wenn wir nicht zu viel Gepäck mit haben!

Vorbei an einer alten Eibe neben einem auch alten Brunnen kommen wir auf eine Brücke, und dann geht’s auf 1350m Höhe auf eine Wiese nahe dem Weiler Grangia Rubbio. Von hier aus hat man einen wunderbaren Blick ins Mairatal. Grangia Rubbio war bis 1980 ganzjährig bewohnt, zuletzt nur noch von einer alten Frau. Heute sind hier, umstanden von Kirschbäumen und Kastanien, Zweitwohnsitze. Von hier steigen wir ab zu einer Häusergruppe, vor uns gewaltige Felswände des Monte Rubbio. Es sind gute Wege hier, und so genießen wir auch ein bisschen Berggefühl. Über einen Grat geht’s runter in ein Tal, zu einer Kapelle und schließlich nach Camogliers.

Wer noch nicht müde ist: im Hinterland gibt’s noch einen schönen Rundwanderweg.

 

Mittwoch: Camogliers – San Martino (6 Std)

Heute erwarten uns zweierlei Kulturlandschaften: die bergigen, waldigen Täler hinter Macra und die einst intensiv genutzten Sonnenhänge. Zuerst halten wir uns an Reste eines Bewässerungsgrabens. Bei einem Bildstock geht’s hinein in zwei kleine Seitentäler. Es geht bergab, wir kommen nach Caricatori und dann nach Langra, einer langgezogenen verlassenen Häuserzeile. Manchmal wohnt hier noch jemand, bestellt im Sommer seinen Gemüsegarten. Dann gehts wieder bergauf und in eines der wilden Seitentäler. In Centenero können wir versuchen, mit den verbliebenen Einwohnern ein bisschen zu reden, über die alten Zeiten hier. Der nächste Weiler ist Cadauno. Hier lebt die letzte Familie des Tales, die nach herkömmlicher Art Landwirtschaft betreibt: gepflügt wird mit dem Esel, im Sommer kommt das Vieh auf die Alp. Hier stößt man auch auf ein 600 Jahre altes Pestasyl, herrschaftlich mit hoher Fassade und Rundbogenfenstern. Verwinkelte Gassen und schattige Durchgänge zeugen davon, dass hier einmal was los war. Diese Häuser würden einem Zyklus folgen, heißt es: zuerst verlassen, weil das Leben zu schwer und einfach war. Dann stehen sie für eine Generation leer, bis sie zur Sommerheimat werden, der Erholung dienen. Wie auch immer , wir müssen weiter, vorbei an der Kirche San Peyre. Oder sollen wir hier Pause machen, bei einem 1998 eröffneten Wirtshaus, das sich zur Slow Food-Bewegung „bekennt“. Zwei Stunden noch. Dann sieht man schon das Ziel. Wir suchen das Centro Culturale Borgata, wohl den Höhepunkt der Tour von den Herbergen her gesehen. 1990 von einem ambitionierten Vorarlberger Ehepaar eröffnet mit dem Ziel, den Tourismus im Valle Maira auf sanfte Art zu beleben. Das Projekt ist gelungen, wir werden uns vor Ort darüber informieren. Für den Abend müssen wir uns nichts vornehmen: die wunderbare Küche von Maria ist legendär.

 

Donnerstag: San Martino – Elva (3 Std)

Heute können wir erst einmal ausschlafen, ein bisschen in der Bibliothek stöbern, den Ausblick genießen und den wunderschönen Garten. Wir brechen gegen 13 oder 14 Uhr auf, haben dann noch genügend Zeit, um in Elva die Kirche anzuschauen.

Zuerst gehts zum Rücken des Colle Betone, ein schöner und abwechslungsreicher Weg durch letzte Felder, Lärchenwälder, Grashänge. Dann geht es in das Einzugsgebiet der Elvaschlucht. Wir haben Glück und können hoch über diesem imposanten Einschnitt den Hang queren zum nächsten Paß. Bei der Kapelle dort gibts eine Rast.

Bis ins 20. Jhdt. war dieser Fußweg Elvas einzige Verbindung ins Mairatal. Es war viel Gemeinschaftsarbeit nötig, um diesen Weg zu pflegen. Wir kommen hinunter in eine breite Mulde nach Elva, das aus 28 Weilern besteht, die über die Hänge verstreut liegen. Etliche neue Ställe zeugen davon, dass es hier für Rin derzüchter ein Auskommen gibt.

Auf alten Wegen kommen wir an stillen Weilern vorbei, angeblich ursprünglich ein jüdisches Getto. Eine andere Theorie meint, das seien Walsersiedlungen gewesen.

Schließlich: angekommen in Elva. Die Kirche ist sehenswert: schlicht, gedrungen von außen, ein Juwel von innen: ein niederländischer Wandermaler fand hier im 15. Jahrhundert Arbeit. Die Kirche ist eines der acht sehenswerten Kulturdenkmäler des gesamten Piemont!

 

Freitag: Elva – Ussola (gut 6 Std)

Auf der Straße geht’s am Vormittag ein Stück talwärts. Dann durchwandern wir einige Weiler, frisch renovierte Häuser neben verfallenden. Schließlich kommen wir zu einer ehemaligen Mühle, sind am „Tiefpunkt“ des Tages angekommen. Über einge Kurven geht’s wieder hinauf nach Chiosso Superiore. Von hier geht’s in ein Tal und auf die andere Talseite, durch schattige Lärchenwälder wieder bergan bis zum Colle San Michele. Wieder einmal: ein schöner Ausblick. Auf dem breiten Geländerücken wandern wir nach Süden und schließlich zum zweiten Tiefpunkt des Tages. Kein Wunder, dass auch hier eine Mühle war. Es geht wieder bergan, bis gut 1800 Meter, wo wir einen überraschenden Landschaftswechsel erleben: man kommt aus dem Wald auf einen wirklich sehr großflächigen Grashang. Eine Alpstraße bringt uns hinunter nach Ussolo. Hier wurde ein herzergreifender Spielfilm gedreht - kein Wunder, Ussolo ist ein pittoresker Ort. Die DVD zum Film ist überall dort erhältlich.

 

Samstag: Weiterwandern, italien. Stadtleben genießen oder Rückreise...

Diesen Tag gestalten wir nach Wunsch. Entweder Rückkehr nach Hause, noch ein, zwei Nächte in Dronero anhängen – oder wer will wandert noch einen Tag weiter nach Campo Base (6 Std) und kehrt erst am Sonntag nach Dronero zurück.

 

Das Programm ist so gewählt, dass es Genußwandern wird, keine sportliche Herausforderung. Dennoch sollte eine Grundkondition vorhanden sein, da ja auch 6 Stunden und einmal 5 Stunden Gehzeit sind. Wer an den kurzen Gehtagen noch nicht ausgelastet ist: es sind jeweils Wanderwege ins Hinterland angeführt, das kann man dann nach Lust und Laune machen. Gutes, hausgemachtes, regionales Essen wird eine Rolle spielen, so ist es auch im Konzept des Tales vorgesehen. Es sind zum Teil fünfgängige Menüs bei der Halbpension angeführt.

Programm nach "Antipasti und alte Wege", Rotpunktverlag 1999

 

Ich würde mich freuen, wenn Dir diese Reiseidee zusagt! Und ich hoffe – bis bald in Italien, bei einem Capuccino am Marktplatz und dann sofort anschließend einem Campari Soda!